Die Business-Resilienzpyramide

Mit der Business-Resilienzpyramide gezielt Resilienzbedarfe identifizieren, Werte schützen und Resilienz steuern

Business Resilienz als zentrale Rolle in der Unternehmensarchitektur

Autoren: Matthias Lachmann und Thorsten Magas

In der Vergangenheit reichte es oft, ein stabiles Geschäftsmodell zu entwickeln, Prozesse effizient zu gestalten und mit gesundem Menschenverstand zu führen. Heute ist diese Grundlage nicht mehr ausreichend. Globalisierung, Digitalisierung und geopolitische Verschiebungen haben die Spielregeln verändert. Unternehmen bewegen sich in einem dynamischen Geflecht aus technologischen Abhängigkeiten, internationalen Märkten, regulatorischem Druck und sich ständig verändernden Kundenerwartungen.

Was früher als langfristig stabil galt, ist heute in Bewegung. Lieferketten reagieren sensibel auf politische Entwicklungen. IT-Ausfälle können binnen Stunden zu Umsatzeinbußen führen oder existenzbedrohend sein. Neue Wettbewerber treten nicht mehr regional, sondern digital und global auf. Unternehmerinnen und Unternehmer sehen sich gezwungen, gleichzeitig strategisch, operativ, innovativ, regelkonform und krisenfest zu handeln.

Dabei geraten nicht nur Hauptpflichten wie Stabilität, Wachstum, Effizienz und Marktzugang unter Druck – auch Nebenpflichten wie Corporate Governance, Nachhaltigkeit, Mitarbeiterbindung und Compliance werden komplexer und risikobehafteter. Hinzu kommt: Die Erwartungen an Führungskultur, Kommunikation und Verantwortung steigen.

Business Resilienz ist keine isolierte Disziplin – sie ist die Fähigkeit, als Organisation inmitten dieser Spannungsfelder dauerhaft handlungsfähig zu bleiben. Sie verbindet wirtschaftliche Robustheit, Anpassungsfähigkeit und kulturelle Stabilität. Genau hier setzt unser Artikel zur Einführung der Business-Resilienzpyramide an: mit dem Ziel, ein tragfähiges Verständnis von Business Resilienz zu vermitteln – als Denkweise, Führungsprinzip und Managementansatz für Unternehmen im 21. Jahrhundert.

Die Business-Resilienzpyramide – vom Überleben zur unternehmerischen Selbstverwirklichung

Business Resilienz ist mehr als ein Krisenkonzept – sie ist ein Reifeprozess. So wie der Mensch laut Abraham Maslow nur dann sein volles Potenzial ausschöpfen kann, wenn seine Grundbedürfnisse erfüllt sind, so durchlaufen auch Unternehmen eine Entwicklung vom existenzsichernden Überleben hin zur selbstbewussten Expansion.

Die Business-Resilienzpyramide überträgt diese Idee auf Organisationen – als strukturierte Sicht auf ihre Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Gestaltungsfreiheit in einem komplexen Umfeld. Die bewusste Analogie zum Menschen ist kein rhetorisches Stilmittel, sondern Teil der Systemlogik. Unternehmen sind keine Maschinen – sie sind soziale Systeme (Luhmann), bestehend aus Menschen, Kommunikation, Entscheidungsstrukturen und kollektiven Zielbildern. Ihre Resilienz basiert daher – wie beim Menschen – auf der Fähigkeit zur Selbststeuerung, Reflexion, Wertorientierung und Weiterentwicklung.

Für jede Stufe der Business-Resilienzpyramide gelten spezifische Regeln und Rollen, die sich nach den angebotenen Produkten und der Wertschöpfungsstrategie der Unternehmen richten.

Die Stufen der Business-Resilienzpyramide im Einzelnen:

Stufe 1: Betriebsbedürfnisse – Betriebsfähigkeit sichert das Überleben

Auf der untersten Stufe geht es um die grundlegende Funktionsfähigkeit des Unternehmens. Hier stellt sich nicht die Frage nach Innovation oder Markenposition, sondern nach Aufrechterhaltung der wertschöpfenden Kernprozesse – oft unter Druck.

Ein Unternehmen, das sich in dieser Phase befindet, konzentriert sich darauf, seine Wertschöpfungskette gerade so funktionsfähig zu halten, dass Verpflichtungen minimal erfüllt und Fixkosten gedeckt werden. Rechtliche, steuerliche oder qualitative Standards werden nur am unteren Limit erfüllt – es herrscht ein Zustand des ökonomischen Atmens.

Resilienz bedeutet hier: überhaupt weiterarbeiten zu können.


Stufe 2: Sicherheitsbedürfnisse – Recht, Sicherheit und Solvenz

Mit funktionierender Betriebsfähigkeit wird der nächste Schritt, die Stabilisierung und Rechtssicherheit des Geschäftsbetriebs, betrachtet. Unternehmen entwickeln Finanzsicherheit und Compliance-Systeme, schaffen Klarheit in den Prozessen.

Es geht darum, rechtskonform, solvent und steuerbar zu handeln. Risiken werden aktiv gemanagt, Verantwortlichkeiten geklärt, Prozesse dokumentiert. Hier beginnt Business Resilienz, sich strategisch zu verankern – als Teil von Führung, Organisation und Risikokultur.

Zusammen mit der Erfüllung der Betriebsbedürfnisse ist nun die Stabilität zum Fundament jeder weiteren unternehmerischen Entscheidung geworden. Die unternehmerischen Pflichten sind als Grundbedürfnisse erfüllt. Das Unternehmen gibt Mitarbeitern und Partnern Halt.


Stufe 3: Akzeptanz- und Wachstumsbedürfnisse – sichtbar werden, Anerkennung erhalten

Sobald Sicherheit etabliert ist, verlagert sich der Fokus auf die Wahrnehmung am Markt, Wachstum und das Erreichen nachhaltiger Entwicklung. Das Unternehmen beginnt, Rücklagen zu bilden, Kundenzufriedenheit aktiv zu steuern und seine Position im Wettbewerb bewusst zu stärken.

Hier wächst die Resilienz durch Anpassungsfähigkeit, Wiedererkennung und Reputation. Fehler können verkraftet, Schwankungen ausgehalten und Chancen realisiert werden. Es gibt Governance-Strukturen, die das ermöglichen.

Resilienz bedeutet nun: Gestalten mit Rückendeckung.


Stufe 4: Innovationsbedürfnisse – Neues schaffen, Risiko eingehen können

Innovation wird oft mit Wachstum synonym verwendet – doch in dieser Phase schafft Business Resilienz den Raum für Neuerungen, Ideen und kreative Entfaltung. Organisationen auf dieser Stufe besitzen die strukturelle Stärke und finanzielle Stabilität, gezielte Risiken einzugehen, um weitreichende Neuerungen voranzutreiben.

Fehlschläge sind einkalkuliert, weil das Fundament trägt. Innovationsprojekte werden nicht aus Not geboren, sondern aus Stärke, Überzeugung, Weitblick und Gestaltungslust.

Resilienz zeigt sich hier in der Fähigkeit, gerade in unsicheren Zeiten innovativ zu sein.


Stufe 5: Diversifikationsbedürfnisse – Expansion, Selbstverwirklichung der Organisation

An der Spitze der Pyramide steht nicht nur Wachstum, sondern Selbstverwirklichung durch Expansion. Das Unternehmen erschließt neue Märkte, baut neue Geschäftsmodelle, verändert Identität und Wirkungskreis – auch über seine Kernkompetenz hinaus.

Die Organisation beginnt, ihren Platz im globalen Gefüge selbst zu definieren, und agiert bewusst mit kultureller, struktureller und wirtschaftlicher Resilienz.

Business Resilienz wird hier zum strategischen Freiheitsgrad.

Business-Resilienzpyramide nach Lachmann / Magas

Die Business-Resilienzpyramide ist kein Endpunkt, sondern ein Orientierungsrahmen – ein methodisches Werkzeug zur Selbstverortung im unternehmerischen Reifeprozess.

Indem sie die Entwicklungsstufen von Betriebsfähigkeit bis hin zur strategischen Expansion sichtbar und somit greifbarer gestaltet, hilft sie Entscheidungsträgern, die eigene Lage und Reife realistisch einzuschätzen. Durch diese Einordnung wird sichtbar, wo Stabilität bereits vorhanden ist, wo strukturelle Defizite liegen und wo gezielter Handlungsbedarf besteht. Das befähigt Unternehmer, konkrete Maßnahmen abzuleiten, zu priorisieren und umzusetzen.

Somit unterstützt die Business-Resilienzpyramide das Produkt-, Risiko- und Reifegradmanagement bei der Ausschöpfung des unternehmerischen Potenzials, um eigene zentrale Werte auch unter disruptiven Bedingungen zu schützen.


Weiterführende Literatur (Auswahl)

Duchek, S. (2020). Organizational Resilience: A Capability-Based Conceptualization. Business Research, 13, 215–246.

Linnenluecke, M. K. (2017). Resilience in Business and Management Research: A Review of Influential Publications and a Research Agenda. International Journal of Management Reviews, 19(1), 4–30.

Luhmann, N. (1984). Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Maslow, A. H. (1943). A Theory of Human Motivation. Psychological Review, 50(4), 370–396.

Stafford Beer (1972/1979) Brain of the Firm: A Development in Management Cybernetics (1972)

Tengblad, S., & Oudhuis, M. (Hrsg.) (2018) The Resilience Framework: Organizing for Sustained Viability. Singapore: Springer Nature.

Tengblad, S., & Oudhuis, M. (2019) A Theoretical Framework for Organizational Resilience. Paper, EURAM Conference 2019, Lissabon.

Xiao, L., & Cao, H. (2017) Organizational Resilience: The Theoretical Model and Research Implication. ITM Conferences.